Religion heute

23. Dezember 2023

Vernünftiger Gottesdienst

Filed under: Predigten — Dieter Koch @ 11:02

Was ihr tut, wie ihr lebt, das ist Gottesdienst. Gottes Erbarmen will sich auswirken in eurer Bereitschaft zur Barmherzigkeit – das ist doch die Botschaft des Meisters aus Nazareth. Gottes Heiligkeit soll sich abbilden im je eigenen heiligen Leben – das ist gute jüdische Überzeugung. Gottes Versöhnungswillen ruft dich, selber bereit zu sein, zur Versöhnung.

Tue du den ersten Schritt, auch wenn es bisweilen gehen mag wie in dieser Anekdote: Am Versöhnungstag erblickt Mandelstam in der Synagoge Wiesenthal, seinen ärgsten Feind und Konkurrenten. Tapfer streckt er ihm die Hand hin und sagt: Ich wünsche dir alles, was du mir wünschst. Darauf gellt Wiesenthal zurück: Was, fängst du schön wieder an!

Wann wird denn das Gute wirklich eine Chance haben? Dann, wenn du beginnst! Dann, wenn du selbst dir zutraust, das Gute zu suchen, zu erkennen und zu tun. Du kannst es. Denn Gott wagt es mit dir. Durch dich, gerade durch dich, strömt Gottes Güte in die Welt. Du bist Versöhnungsort und Tempelstätte.

Die Zeit der äußerlichen Opfer ist vorbei. Der Tempel ist dahin. Du bist Gottes Tempel, der Ort, wo sein Wort, seine Liebe wohnt. Wie wächst Versöhnung? Nicht durch Riten, nicht durch Schlachttiere, allein durch Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Wo wächst Versöhnung? Nicht an heiliger Stätte, nicht an geweihtem Ort, sondern in dir und durch dich.

Wie? Indem du nach dem Guten, dem Wohlgefälligen, dem Vollkommen strebst. Warte nicht, bis irgendein Papst oder irgendeine Ethik-Kommission dir vorgibt, was gut ist. Traue es dir selber zu! „Wage es, dich einzufühlen. Wage die Empathie. Ja, das ist der Kernpunkt, bemerke, dass Du sie (diese Gabe der Einfühlung) längst schon hast.“ (Alexander Kluge)

Dein Leben sei ein vernünftiger Gottesdienst. Gehorsam ist keine Kategorie der Unterwerfung unter irgendeinen Hohepriester, irgendeine Tora mehr, sondern ein etwas altertümlich gewordenes Wort für die tiefe Treue zu sich selbst. Darin liegt das Zutrauen, auf den Wegen der Vernunft das Gute zu suchen und zu entdecken – und gerade so Gott zu dienen.

Eine vernünftige Lebensführung, eine Haltung, die sich am Guten und Wohlgefälligen ausrichtet, ist ein Lebensgebet. „Wisse, dass Gott dienen nichts anderes bedeutet als deinem Nächsten dienen und mit Liebe wohltun, es betreffe Kind, Weib, Knecht, Feind, Freund, ohne Unterschied, wer dein bedarf an Leib und Seele“, so Martin Luther.

Dazu bedarf es der doppelt praktischen Vernunft, der einen, die mit aller Leidenschaft nach Erkenntnis trachtet, nach konkreter Verbesserung unserer Lebensumstände, durch Wissenschaft und Technik, und der anderen, die in tiefer Verantwortung sich von der Not des Nächsten berühren lässt, bereit ist, ihm, die Schmerzen an Leib und Seele konkret zu nehmen.

Wage zu denken, wage dich einzufühlen. Vernunft und Glauben sind Milchbrüder, Genossen im Ringen um eine menschenwürdigere Welt. Vernunft ist eine Gottesgabe, ein Wahrnehmungsorgan für Gott und die Welt. Sie folgt den Spuren Gottes in der Welt, nüchtern, sachlich, selbstkritisch, um darin so skeptisch wie heiter Gott nahe zu kommen.

Ignatius von Loyola hat beispielhaft formuliert, was es bedeutet Gott durch die Vernunft zu erkennen, wenn er in der Betrachtung zur Erlangung der Liebe ausführt (ich sage es mit meinen Worten): Das erste in der Erwägung der Vernunft ist: Rufe dir ins Gedächtnis, was du an Gutem empfangen hast.

Das zweite: Betrachte, wie Gott in allem Lebendigen am Werke ist. Das dritte: Staune, wie sich alles fügt in diesem zerbrechlich-komplizierten Gefüge des Lebens, darin du stehst und dich deines Lebens freuen kannst, weil so vieles sprachlos geschieht, von dem her du lebst, vom Herzschlag über die Liebe deiner Mutter bis zur Wiederkehr von Sonne und Mond.

Und dann viertens (nun Originalton des Ignatius): „In sich aufnehmen, wie alles Gute und alle Gabe von oben herabsteigt, so wie auch die mir zugemessene Kraft von der höchsten und unendlichen von oben herabsteigt und so auch Gerechtigkeit, Güte, Pietät, Barmherzigkeit gleichwie die Strahlen von er Sonne absteigen, die Wasser von der Quelle und dann sich beschenkt verschenken: Nimm hin, Herr, und empfange meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen Willen. Alles ist dein, verfüge nach deinem Willen, gib mir deine Liebe und Gnade. Das ist mir genug“

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